Das 100. Capitel.
Bey Vermeidung grossen Unglücks soll niemand über eine Spur gehen / allwo sich ein paar Hunde belauffen haben.

[365] Also warnete unlängst, ein der Einbildung nach / über alle Massen verständiger Mann einem guten Freund, als er sahe ein paar Hunde auf der Gassen sich belauffen. Der gute Herr ließ auch dabey einen solchen Eifer spüren daß, so ferne ein Häscher gleich damahls wäre zugegen gewesen, so hätten ohne Zweifel die unverschämten[365] Hunde Gefängniß davor leiden müssen, zumahl wenn der Häscher den Befehl dieses erzürnten Mannes schlechterdings würde respectiret haben. Der gute Freund, zu dem die Warnung geschah, war etwas curiös und fragte, worinnen denn eigentlich die Gefahr bestünde, die sich der zu besorgen hätte / der über einen solchen Tantz-Platz der Hunde gienge? Monsieur Elogius Bilibaldus (war des verständigen Mannes Nahme) antwortete: So iemand einen Schaden an seinem Leibe hätte / und gieng über eine solche Spur, so würde der Schaden gantz unheilbar werden. Der gute Freund kunte das Lachen kaum verbergen, bisse sich in die Zunge, drehete sich davon, und hätte sich bald durch das Verbergen des Lachens die Hosen voll gehustet. Dieser kam hierauf zu mir, und erzehlete, was Herr Elogius Bilibaldus ihm gelernet hätte; welche Erzehlung mir eben zu statten kam, weil ich gleich mit Striegelung des 99. Aberlgaubens hatte Feyerabend gemacht. Da ich nun bißanhero mit Neun-und neuntzigern hatte gehandelt, und nicht in Abrede seyn kan, daß, so ich nicht ein Naar alleine seyn will, ich unter dieser Zahl auch einige Glaubens-Genossen vor mich angetroffen hatte; Und da ich diese ietzt erzehlte super-weise Thorheit hatte angehöret, war mir es nicht wenig lieb, daß die hunderte Zahl meiner gestriegelten Aberglauben mit einem solchen grossen Heiligen solte completiret werden. Diesem nach wird dem geehrten Leser die Sache zu[366] bedencken überlassen, oh ein paar lauffende Hunde, durch diese ihre Conjunction, unter freyem Himmel, auf freyer Gassen, oder auch wohl im freyen Felde, den Ort, allwo sie sich belauffen haben, so hefftig vergifften können, daß wer einen Schaden an sich hätte, und gienge über eine solche Spur, der Schaden damit unheilbar würde? So frage ich, wie viel tausend unheilbare Schäden doch wohl die Leute beschweren würden? Kan demnach der geehrte Leser leicht urtheilen / daß entweder an dem Fürgeben nichts sey, oder es müsten diejenigen, welche daran glauben, einen Schaden im Verstande und Gehirne gehabt haben, und über eine solche Hunde-Spur gegangen seyn, dadurch solcher Schaden unheilbar worden. Das mag aber wohl heissen: Hirnwund bey gesunden Leibe. Und damit ich mich nicht zu weit in diese Thoren-Possen einmische, so mag ein ieder davon halten, was er will, ich will die Bauern auf ihren Kirchmessen, und die Hunde bey ihren Hochzeiten, nicht hindern, so werde ich weder geschlagen noch gebissen. Unterdessen werde ich, mit guter Gelegenheit, wieder ein hundert solcher abergläubischen Raritäten sammlen, wie ich denn derselbigen schon wieder eine feine Anzahl beysammen habe, und[367] so ich vernehme, daß diese ersten zwey Hundert wohl aufgenommen werden, so soll alsdenn das dritte Hundert bald auch darzu kommen.


Wer denen Hunden ihre Lust

So beschnopert und behust /

Und nicht will die Hochzeit leiden.

Mag sie alle lassen schneiden.

Doch weils gleichwohl solche Sachen

Sind, die er nicht selbst kan machen,

Laß er machen iedes Thier,

Was ihm die Natur legt für.

Quelle:
Schmidt, Johann Georg: Die gestriegelte Rocken- Philosophie. 2 Bände, Chemnitz 1718 (Bd. 1), 1722 (Bd. 2), [Nachdruck Weinheim; Deerfield Beach, Florida 1987]., S. 365-368.
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